Saturday, March 01, 2008

Ein Tag an Bord eines hochmodernen Fischereifahrzeugs (Purse-Seiner)

Ein Tag an Bord eines hochmodernen Fischereifahrzeugs (Purse-Seiner)
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Auf dem Chinesischen Laternenfestival hatten wir den amerikanischen Kapitän Tony des Purse-Seiners AMERICAN EAGLE kennengelernt.  Obwohl das Schiff einer taiwanesischen Firma gehört, fährt es unter amerikanischer Flagge, da es so nicht für jede einzelne Insel eine eigene Genehmigung braucht, um dort fischen zu können.  Spart natürlich ganz unheimlich an Kosten, ist dabei aber für die amerikanischen Fischerboote eine Katastrophe, denn Fischereilizenzen sind sehr stark begrenzt.    Taiwans Quoten sind voll ausgelastet, so daß sie auf diese Art und Weise gewissermaßen um die Quoten herummogeln können. 
 
Wir kamen mit zwei Beibooten vorbei, als die AMERICAN EAGLE bei einem koreanischen Kühlschiff längsseits lag, um ihre Ladung zu löschen.  Dieses dauert mehrere Tage, obwohl mit jedem Netz etliche Tonnen Fisch auf das Kühlschiff wandern.  Bei dieser Ladung handelt es sich hauptsächlich um Skipjack-Thunfisch, der in einer Lauge aus Eis und Salz tiefgefroren gehalten & an Fischkonservenfabriken in Thailand geliefert wird.  Kaspar & Steffi von der CELUANN waren genauso beeindruckt wie wir, während unsere kleine Aurora Ulani recht froh war aus unserem wild bockenden Beiboot zu entkommen. 
 
Kapitän Tony nahm sich viele Stunden Zeit, um uns höchstpersönlich alles zu zeigen und vor allem unsere vielen Fragen zu beantworten.  Außer Tony ist kein anderer Amerikaner an Bord & außer dem Ersten Offizier gibt es nur noch zwei weitere Taiwanesen.  Wir trafen einen Filipino und alle anderen kommen hauptsächlich aus der VR China.  Insgesamt sind zur Zeit 43 Leute an Bord.  Es waren aber auch schon mal mehr als 50 Leute.  Normalerweise wird von morgens um 5:00 Uhr bis abends um 22:00 Uhr gearbeitet.  Den größten Verdienst bekommt nicht etwa der Kapitän, sondern der Mann, der die Fische ausfindig macht.  Wie der Erste Offizier uns erzählte, verdient dieser Mann in drei Jahren etwa 40 Millionen Taiwan Dollar (US$1.278.363).  Und insofern so ein großer Purse-Seiner unter taiwanesischer oder ähnlicher Flagge fährt, kann man auch die Kosten des ganzen Schiffes inklusive Hubschrauber und allem Drum und Dran in derselben Zeit wieder hereinbekommen.  Unter amerikanischer Flagge dauert so etwas dann schon mal 10 Jahre. 
 
Da wird es verständlich, daß bei allen Geräten, die der Auffindung der Fische dienen, kein Pfennig gespart wird.  Auf dem 12-bis-16-Meilen Radar kann man selbst auf diese Entfernung immer noch Vögel erkennen, die auf die Wasseroberfläche hinunterstürzen, um dort kleine Fische zu fangen.  Tony beruhigte uns Segler mehrmals, daß es absolut unmöglich wäre, daß so ein Schiff uns je übersieht.  Natürlich gibt es außer diesem "Vogel-Radar" noch etliche andere Radargeräte und dermaßen viele Kommunikationsmittel, daß man fast den Überblick verlieren könnte.  So werden zum Beispiel Radio-Bojen an Stellen abgeworfen, wo man Fische gesehen hat oder wo "Fish Attracting Devices" ausgelegt wurden.  Diese Bojen werden entweder mit einem großen "Radio Direction Finder" (RDF) wieder ausfindig gemacht oder senden gar ihre GPS-Koordinaten durch.  Letztere Bojen schlagen dann gleich mit etwa 2.000 Dollar zu Buche.  Natürlich hat jedes Schiff seine eigene streng geheim gehaltene Frequenz und da es im harten Konkurrenzkampf nicht gerade zimperlich zugeht, "klauen" die Schiffsbesatzungen oft die Bojen von anderen Schiffen, um ihre eigenen an diese Stellen zu pflanzen.  Später tauschen sie diese dann oft wieder miteinander aus. 
 
Tatsächlich verfügt die AMERICAN EAGLE über einen eigenen "Server-Room" voller modernster Computer, der dem eines Internet Service Providers (ISP) an nichts nachsteht.  Vier Mal am Tag kommt ein Anruf aus dem Hauptquartier in Taiwan über Inmarsat, um genauestens über die Lage informiert zu werden.  Das Schiff bleibt drei Jahre auf Fahrt, um dann für etwa drei Monate in der eigenen (!) Werft in Taiwan renoviert zu werden.  Die Crew arbeitet normalerweise sechs Monate am Stück, um dann zwei Monate frei zu haben.  Aufgrund der speziellen politischen Lage zwischen Taiwan und der VR China kann das Schiff die Crew allerdings nicht in Taiwan anlanden.  Außerhalb einer Zone von etwa 35 Seemeilen wird ein Rendezvous mit einem anderen Schiff vereinbart, welches neue Crew aus China mitbringt und gleichzeitig die alte abholt.  Ebenso geht es mit dem Tanken und dem Proviant, wobei diese großen Versorgungsschiffe bis zu den Marschallinseln oder bis nach Kiribati fahren, um die Flotte dort zu versorgen.  Bis auf den Kapitän bekommen so alle Leute an Bord Verpflegung aus Taiwan und China, was sie nicht nur am liebsten mögen sonders was auch um Ecken billiger ist als alles andere. 
 
Tony selbst hielte es allerdings für sinnvoller, wenn jedes Jahr eine internationale dreimonatige Schonzeit verhängt würde.  So könnten sich die Thunfischschulen regenerieren & die Schiffe könnten gleichzeitig in die Werft gehen.  Ausrotten werden man die Thunfische wohl nie, meinte er, aber irgendwann käme es eben doch so weit, daß sich die moderne Hochseefischerei nicht mehr lohnen würde.  Das sähe Tony nur höchst ungern, zumal auch sein Vater und sein Großvater schon Fischer gewesen wären. 
 
So ganz nebenbei erfuhr ich von ihm, daß es auf so einem Fischereischiff aus Taiwan doch merklich anders zugeht als auf einem deutschen Frachter wie der MS EIDER auf der ich 1979 als Decksmann nach Leningrad fuhr.  Die Ausbildung findet einzig und allein an Bord statt - nichts mit Seefahrtsschule, Lehrgängen, Prüfungen & Patenten.  Man kann eben nur unten anfangen und sich hocharbeiten.  Und wenn man Pech hat, wird man sein ganzes Leben als Crew arbeiten und nie zum Kapitän aufsteigen. 
 
Als wir in die große Speisehalle traten, bemerkten wir gleich, daß einige Crewmitglieder dort auf dem Fußboden schliefen.  Anscheinend war kein Platz für sie in den Crewquartieren.  Der Koch beklagte sich bei Liping, daß diese Meute zwar eher faul wäre, dafür aber beim Essen ordentlich zuschlügen.  Sechs Mal am Tag wird gefuttert und jeder Mann verdrischt bei so einer Mahlzeit etwa das dreifache wie unsereins. 
 
Aurora Ulani fand dies alles große Klasse, denn wieder einmal wurde sie mit allen möglichen Leckerbissen und Köstlichkeiten überhäuft.  Die vielen Tiere an Bord fand sie allerdings eher beängstigend, vor allem der große bellende deutsche Schaeferhund auf der Brücke.  Ein anderer junger Hund sprang schwanzwedelnd an ihr hoch, um sie abzuschlecken, worauf unser kleiner Zwerg überhaupt nicht vorbeireitet war & die beiden prompt umfielen.  Das gab wie zu erwarten ein großes Geschrei, welches aber glücklicherweise nicht lange währte.  Ansonsten rannten lauter Hühner über das Deck, was Tony nicht so erfreulich fand und irgendwo müssen auch Schweine auf dem Schiff leben, genau wie bei den alten Polynesiern. 
 
Tony erklärte, wie das riesige Netz deponiert und langsam und vorsichtig um die Fischschule herumgezogen wird.  Das hört sich leichter an als es tatsächlich ist und so kommt es oft vor, daß nur einzelne Fische gefangen werden statt eine Schule.  Mehrere "kleine" Boote mit starken Dieselmotoren müssen das Netz wie eine Kugel aufhalten, um den Fischen Platz zu geben mitten im Netz im Kreise zu schwimmen.  Wenn nämlich die Fische in Panik geraten und sterben, dann sinken sie sofort auf den Boden des Netzes, vermehren das Gewicht dort ganz erheblich und ziehen die Kugel aus der Form.  Und wenn sich gar ein paar Delphine (unter den Delphinschulen schwimmen oft Thunfischschulen) in das Netz verirren, so ist das ganz schlecht, denn obwohl diese locker oben über den Rand springen könnten, so begreifen sie es doch nicht, geraten selbst in Panik und der ganze "Set" wird sehr chaotisch und fällt dementsprechend schlecht aus. 
 
Glücklicherweise für alle Beteiligten - vor allem aber für die Delphine - haben diese inzwischen gelernt und machen einen großen Bogen um so ein Schiff.  Sobald sie es kommen hören, nehmen sie auf schnellstem Wege Reißaus, wobei sie anscheinend auch in der Lage sind diese Information und das Gelernte an andere Delphine weiterzugeben. 
 
Ein "Set" dauert von der Auslegung des Netzes bis zum Einholen des Fangs drei bis vier Stunden, wobei die Geschichte mit den Netz selbst nur etwa 23 Minuten dauert.  Die ganze andere Zeit wird auf die Sorgfalt verwendet, um die Kugel in Form und die Fische möglichst lange am Leben zu erhalten.  Im Durchschnitt gehen bei solch einer Aktion dann etwa 300 bis 400 Tonnen Skipjack-Thunfisch ins Netz.  Keiner dieser Fische ist groß genug, um bei den Japanern als Shashimi zu dienen.  Es kann aber schon sein, daß er z.B. in Hawaii in einem Touristenrestaurant als "Frisch Gefangener Hawaii Thunfisch" auf der Speisekarte steht.  Ich schätze die Größe der Fische auf maximal einen Meter lang und etwa 20 kg schwer. 
 
Auch den Hubschrauber ganz oben haben wir begutachtet.  Eine sehr kleine Maschine mit aufblasbaren Schwimmkörpern, die andauernd zum Einsatz kommt, hauptsächlich um Fischschulen ausfindig zu machen.  Zwischen den Landekufen steckte eine der Bojen, denn man weis ja nie wann sich Gelegenheit bietet das alte Bojenspiel zu spielen.  Mein Fall wäre so ein Helikopter allerdings nicht, denn was Tony so von dem Starten und Landen in schlechtem Wetter erzählte, ließ mir doch ein wenig die Haare zu Berge stehen.  Da habe ich lieber meinen festen - wenn auch ein wenig schaukelnden - Boden von DHARMA BUM III unter den Füßen. 
 
Kaspar ist als alter Sportsmann auch in den hohen Ausgucksmast geklettert, wobei er eigentlich vorhatte bis ganz nach oben in das geschützte "Körbchen" zu gelangen.  Dort fand er zwar auf Anweisung Tonys eine Falltür vor, konnte sie aber nicht aufkriegen.  Bei seinem vierten Aufstieg fand er schließlich eine Tür an der Rückseite des Turms, die aber leider verschlossen war.  Oder handelte es sich hier um einen Scherz von Tony? 
 
Dieser erzählte Steffi und mir derweil, wie er vor einiger Zeit drei I-Kiribati aus dem Wasser gefischt hatte, die monatelang mit ihrem Boot auf dem Ozean herumgetrieben waren.  Der älteste war "ein wenig wackelig auf den Beinen", aber die beiden jüngeren waren nach Tonys Aussage "topfit".  Sie hatten Angelzeug und etwas zu trinken dabei gehabt, so wie alle I-Kiribati es immer einpacken.  Meist sind ein paar Trinkkokosnüsse mit dabei und in Tarawa hatten wir viele ähnliche Geschichten zu hören bekommen.  Sehr erstaunlich, wie diese Mikronesier auf dem Meer überleben können.  Erstaunlich war auch die Ursache für die unfreiwillige Seereise.  Die Grund war einzig und allen ein verstopfter Treibstofffilter. 
 
Schließlich war es an der Zeit an unseren Abgang zu denken, wobei wir noch mit einem großen männlichen Mahi Mahi (Dorado, Goldmakrele, Dolphinfish oder Coryphaena hippuris) und einem ebensogrossen Wahoo (Tazzard, gehört zur Familie der Marline und Schwertfische, Acanthocybium solandri) beschenkt wurden.    Außerdem gab es noch im Dampf gegartes Brot chinesischer Art wie Baozi, Mantou und ähnliche Geschichten.  Zusammen mit den insgesamt 120 Eiern, etlichen Maiskolben usw. usf. die wir am Vortage von der Taiwanesischen Farm geschenkt bekommen haben, sind wir nun mit Vorräten mehr als eingedeckt.  Da wir ja sowieso keine Fischesser sind, haben wir auf den Wahoo ganz verzichtet, nur ein paar kleine Mahi Mahi Filets angenommen und den Rest Kaspar und Steffi überlassen. 
 
Wieder an Bord waren wir alle doch reichlich müde von den vielen Eindrücken der letzten Tage und mußten es eher ruhig angehen lassen. 

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