Captain's Dinner auf einem Kriegsschiff aus Taiwan
Donnerstag, der 20. März 2008
Breite: 07°06.18'N Länge: 171°22.44'E
Dienstag abend haben mich rote Feuerameisen (Solenopsis invicta - die Unbesiegte?) unter dem Tisch draußen beim Shoreline erwischt. Sie taten ihrem Namen alle Ehre und selbst heute habe ich noch dicke Boppel, wo mich die Mistviecher erwischt haben. Wie ich in meinem Lexikon lese, kommen diese Viecher ursprünglich vom amerikanischen Kontinent & haben sich inzwischen weltweit in den warmen Gegenden verbreitet. Sie zerstören andere Ameisenarten, richten sehr viel Schaden an & können bei einigen Leuten sogar lebensgefährliche allergische Reaktionen hervorrufen. Auch die unterirdischen Termiten aus Taiwan haben sich hier breit gemacht und fressen hölzerne Strukturen, daß man es kaum glauben kann. Boote, welche an Land stehen sind ganz besonders gefährdet.
Lavac-USA wird mir umsonst die fehlenden Dichtungen für unsere Bordtoiletten schicken. Die falschen darf ich behalten, was gut ist, denn sie passen auf eine andere Toilette, die wir allerdings zur Zeit nicht nutzen. Gestern abend kamen Walter und Gisela von der ATLANTIS vorbei, um mein selbst gebrautes Bier zu testen. Nachdem wir davon drei Liter vernichtet haben, kann man wohl annehmen, daß es die Qualitätskontrolle bestanden hat. ;-)
Heute morgen haben wir erst überlegt mit den Dinghy loszufahren, um uns die drei Kriegsschiffe aus Taiwan anzugucken, denn Benzin ist wahrscheinlich billiger als die $3 für das Taxi. Schließlich war uns das aber doch zu ruppig und wir sind über Land hin. Walter und Gisela waren mit von der Partie. Erst haben wir uns das große Versorgungsschiff angeguckt, auf dem heute abend auch das Captain's Dinner stattfinden wird - und zwar draußen auf dem Hubschrauber-Landeplatz. Weiter ging es zu einer Fregatte der Chenggong-Klasse (beide in Amiland hergestellt) und zu guter letzt zu einem Lafayette-Zerstörer (Made in France).
Um letztere hatte es in Taiwan eine große Bestechungsaffäre gegeben - und natürlich war China auch sauer, daß die Franzosen die Dinger überhaupt an Taiwan verkauft haben. Alles war sehr interessant, vor allem das Phalanx-Anti-Raketen-System und das ähnliche auf dem Lafayette-Zerstörer. Läuft alles vollautomatisch über Zielradar und ballert mit bis zu 4500 Schuß pro Minute auf einkommende Raketen. Die Raketen selber waren auch nicht von schlechten Eltern, sowohl die Boden-Luft-Raketen, als auch die ganz dicken, mit denen feindliche Kriegsschiffe aufs Korn genommen werden. Selbst die großen Raketen können mit bis zu sechs Stück pro Minute auf ihre Reise geschickt werden. Sehen fast wie Cruise Missiles aus und sind ihnen im Prinzip bestimmt nicht unähnlich.
Die Schiffe rauschen mit 25 Knoten durch die See (ein modernes atomgetriebenes U-Boot schafft dauerhaft locker über 50 Knoten), wobei die Lafayette-Zerstörer insofern interessant waren, als sie vier Motoren haben, die zwei verstellbare Schrauben antreiben und auch auf ein Bugstrahlruder verzichten können. So ist es möglich an zwei Maschinen Wartung durchzuführen, während die übrigen beiden ganz normal weiter laufen. Bei Vollgas laufen dann alle vier gleichzeitig. Außerdem kann bei den Lafayette-Zerstörern der Kampfhubschrauber auf Schienen (und natürlich auch wieder vollautomatisch) hereingeholt und damit in Sicherheit gebracht und anscheinend auch in eine andere Ausgangsposition gedreht werden. Als Walter fragte, was denn nun passieren würde, wenn es tatsächlich zu einem Seegefecht kommen würde, antwortete der junge Offizier: "Wer zuerst schießt, hat die besten Chancen."
Aurora fand zwar alles sehr interessant, war aber noch immer angeschlagen von ihrer schweren Erkältung und litt außerdem unter der heißen Tropensonne. Selbst das Geschenk einer Naruwan-Tragetasche und zweier kleiner magnetischer Matrosen hellte ihre Laune nicht merklich auf. In letzter Zeit ist es wieder recht schwierig mit ihr, außer wenn sie Calvert-Schule machen darf. Ich seh' schon: Sie schlägt da ganz nach Liping, was ich von Herzen begrüße. :-) Als sie gestern gerade zwei volle Lektionen hinter sich gebracht hatte, meinte sie zu Liping: "Und wann darf ich die nächste Lektion lernen?"
Karfreitag 2008
Und außerdem Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche und somit Frühlingsanfang. Gestern abend rief auf einmal Patrick Wang (früher im Bundestag von Taiwan) an, da er uns abholen wollte. Walter und Gisela hatten zu einem Drink an Bord von ATLANTIS eingeladen, so daß wir gemeinsam von dort aufgebrochen sind. Zu meinem Erstaunen fand sich bei den Taiwanesen kein einziger anderer Yachtie ein, sondern außer Chinesen nur lokale Würdenträger und deren Anhang. Dazu gehören unter anderem anscheinend auch diverse Rechtsanwälte, die hier durch noch dubiosere Praktiken auffallen, als selbst in Amiland. Außer Admiral Chen und Botschafter Bruce waren auch noch Präsident Litokwa Tomein und Außenminister Tony deBrum sowie etliche Abgeordnete anwesend. Leider haben die Marschallesen beim Essen dermaßen zugeschlagen, daß für andere Leute kaum etwas übrig blieb. Liping meint aber, daß es auch an der mangelnden Planung der Chefs aus Taiwan gelegen haben könnte. Auf jeden Fall schmeckten mir besonders die Lammkoteletts mit Cumin (Kümmel?) und Oregano ganz vorzüglich. Von Steffi haben wir übrigens gehört, daß die meisten Leute viel zu wenig von den Gewürzen benutzen, so daß der Geschmack gar nicht richtig hervorgebracht wird. Außerdem werden die meisten Sachen viel zu lange gekocht, was dem Geschmack ebenfalls abträglich ist. Wir können dem nur voll und ganz zustimmen.
Bruce hat mich zwar dem Admiral vorgestellt, aber ich habe mich hauptsächlich mit Kapitän Ching-Ming Chan unterhalten, der den Lafayette-Zerstörer befehligt. Er hat immer wieder seine Bewunderung für unseren Lebensstil ausgedrückt und mir auch eine Visitenkarte gegeben. Leider hat Aurora es inzwischen geschafft, diese irgendwohin verschwinden zu lassen. Vielleicht war es aber auch der Wind, der Wind, das himmlische Kind, der hier oft durch das Wohnzimmer pfeift. Wenn die Luken zu sind, wird es nämlich sofort sehr heiß und feucht.
Ostersonntag 2008
Bei Telekom-Nauru-Johnny gab es am Karfreitag extra-leckere gegrillte Tintenfische (Kalmare) hier aus der Lagune. Außer mit Johnny habe ich mich hauptsächlich mit Elton, einem Fischereiinspektor aus Nauru, als auch mit dem Marschallesen Anton (der die Tintenfische gefangen hatte) und Albert aus Kosrae (Federated States of Micronesia / FSM) unterhalten. Elton erzählte einige echte Horrorstories vom Leben auf den Purse-Seiners. So hacken die Crews bei Meinungsverschiedenheiten mit Crews von anderen Schiffen sogleich mit Macheten auf deren Netze - und Leute - ein. Selbst zu Schießereien ist es schon gekommen. Anscheinend geht es da draußen echt zu wie im Wilden Westen.
Gestern habe ich dann das neueste Buch eines meiner Ober-Lieblingsautoren, Redmond O'Hanlon (1947), gelesen. In Trouble Again (Deutsch Redmonds Dschungelbuch) ist, seitdem es mir von meinem Prof Lon Otto 1998 im Iowa Summer Writing Festival empfohlen wurde, *das* Reise- & Abenteuerbuch schlechthin. Auch Liping ist wirklich begeistert von den Büchern Redmond O'Hanlons. Nun habe ich durch Zufall die deutsche Übersetzung seines Buches Trawler -- Von den Orkneyinseln bis nach Grönland (Serie Piper Taschenbuch, ISBN 978-3-492-24752-8, €12,95) bekommen. Also fiel die Arbeit erst einmal aus. Ersatzlos gestrichen, zumal das Thema ja gerade brandaktuell ist. Auch Trawler ist exzellent geschrieben, sehr informativ und teilweise dermaßen lustig, daß ich Tränen gelacht habe. Ich kann es wirklich nur jedem empfehlen! Es ist das intellektuellste seiner Bücher mit viel mehr Gedanken und Dialogen.
Dort wird unter anderem von einem Berkeley-Experiment berichtet, bei dem Stühle in einem Kino mit weiblichen Pheromonen besprüht wurden. Die umsonst ins Kino eingeladenen Männer haben sich zu 100% auf diese Stühle gesetzt und die anderen frei gelassen. Genau das gleiche passierte, als sie die Stühle mit männlichen Pheromonen besprüht und Frauen ins Kino eingeladen haben. Wieder eine Trefferrate von 100%. Ist es nicht erstaunlich, daß unser Verhalten von irgendwelchen Dingen bestimmt wird, von denen wir absolut gar nichts mitkriegen?
Irgendwann muß ich mir auch mal ein paar Bücher zum umstrittenen Thema EQ (im Gegensatz zu IQ) besorgen. Liping hat so was vor Jahren mal im Rahmen ihres Psychologiestudiums gelesen und da der EQ in unseren Gesprächen immer wieder auftaucht, wird es langsam Zeit, daß ich mich da genauer informiere.
Um 17:00 Uhr habe ich mir Aurora geschnappt und bin wieder zu Johnny & Co. Dieses Mal hatte ich drei Liter selbst gebrautes Bier dabei, was dann auch ruckzuck verschwand. Anton schleppte einen riesigen Kühlkoffer (wie ich einen im Cockpit stehen habe) voller Fische an, die sie hier Red Snapper und Grouper (Zackenbarsch) nennen. Bin mir allerdings nicht sicher, daß dieses die richtigen Namen sind, vor allem beim Red Snapper. Anton hatte sie im Laufe des Tages ganz allein irgendwo geangelt. Außerdem scheint es immer Anton zu sein, der das Feuer entzündet und die Fische brät, was wohl sein Beitrag für die Bierrunde am Wochenende ist. Die anderen Leute schleppen meist ein Sechserpack XXXX-Bitter und einen Sack voller Eiswürfel an.
Heute wird die ganze Bande zu uns an Bord kommen, wo wir sie mit Congyoubing (chinesischen Frühlingszwiebelpfannkuchen), selbst gemachtem Popkorn & selbst gebrautem Bier bewirten werden. Vorhin krabbelte unser kleiner Rabauke eifrig über das Vordeck und auch sonst durch das ganze Boot, um die vom Osterhasen gelegten Ostereier aufzuspüren. Dabei mußten wir feststellen, daß der Osthase hier keine Schokoladeneier hinterlegt, wohl in Anbetracht des heißen Tropenwetters. Ganz schön schlau, der kleine Hase!
Morgen werden wir ernsthaft anfangen das Segel zu kleben, denn wir haben beschlossen, daß $300 für eine Pfaff 130 Nähmaschine zu teuer ist, da sie ja nur €75 oder $115 bei eBay kostet. Hier lichten sich übrigens die Reihen, da immer mehr Boote gen Süden verschwinden. Einige machen in Kiribati kurz Pause, während andere gleich ganz in den Südpazifik entschwinden. Wir werden allerdings bleiben, bis all unsere Pakete hier angekommen sind & erst dann nach Kiribati segeln. Schließlich planen wir ja noch ein ganzes Jahr in dieser Gegend zu bleiben, um uns die einsamen Atolle der Außeninseln anzusehen.
Heute erfuhren wir, daß der ehemalige Bürgermeister Taipeis, Ma Ying-Jiu von der KMT die Präsidentschaftswahlen in Taiwan gewonnen hat. Nach nur acht Jahren Unterbrechung ist die (ansonsten seit 1949 regierende) Kuomintang nun also doch wieder an der Herrschaft. Gerade rief Botschafter Bruce an & meinte, daß er nun Zeit für ein Dinner an Bord von DHARMA BUM III hätte. Das wird also irgendwann nächste Woche stattfinden. Wir freuen uns schon auf dich sicherlich interessanten Gespräche!